Bonn – Brey

Von Bonn aus ging es am Freitagvormittag weiter. Ich fuhr in der Stadt alle möglichen Orte ab, an denen ich war, denn ich vermisste meine Trinkflasche und hoffte, sie irgendwo liegen gelassen zu haben. Leider war sie verschwunden und ich ließ leicht betrübt Bonn hinter mir.

An diesem Tag kamen mir mehr E-Bikes entgegen als an anderen Orten. Allgemein war viel los, was vielleicht am beginnendem Wochenende lag.

Ansonsten bin ich einfach nur gefahren. Treten, treten, Augen gerade aus, Augen nach links, Augen nach rechts. Steifer Nacken, schlafende Zehen. Treten. Obwohl der Körper hier und da anzeigte, dass die stundenlange Wiederholung der immer gleichen Bewegungen und die immer gleiche Körperhaltung zu viel für ihn waren, wollte der Geist davon nichts wissen und gab fast wahnhaft das Signal zum Weitermachen. Es ist auch nach über sieben Wochen pure Erholung. Der Geist ist frei. Kein Zeitdruck. Seit der Ostsee kein Tinnitus mehr, keine Kopfschmerzen, kein Herzrasen. Kein Hunger. Ich will weiter machen. Niemals aufhören. Ich sehne mich nicht nach einer Pause. Nicht nach meinem Zuhause. Mein zuhausestes Zuhause hier draußen ist mein Rad. Mein Zelt steht jeden Abend woanders und es fühlt sich immer richtig an. Bleiben? Nein! Auch, wenn es schön ist. Die Schönheit entsteht durch die Kurzfristigkeit. Keine Langeweile kann entstehen. Keine Routine. Kein Trott. Das Fahren wurde mir zu keinem einzigen Zeitpunkt bis jetzt langweilig. Im Gegenteil. Die zwei Tage im Bonner Hotel ließen die Zeit zum Kaugummi werden. Zum Glück gab es den kulturellen Höhepunkt in Bochum.

Mein Zeltplatz in Brey war mal wieder ein Dauercampingplatz. Die Rezeption ähnelte dem Tresen einer Dorfkneipe, an der die immer drei gleichen typischen Herren sitzen und verstummen, sobald ein Mensch den düsteren, verrauchten Raum betritt. So auch in meinem Fall. Kaum war ich drin, wollte ich raus. Wollte draußen das Geschäft abwickeln. Die drei Herren dachten nicht daran, wegzuhören oder -zusehen. Endlich passierte mal etwas. Die Wirtin hatte vor lauter Heiserkeit keine Stimme mehr und krächste schwach einen anderen Menschen heran. Der ließ auf sich warten. Dann kam ein abgemagerter, sonnengegerbter Mann mit Augensäcken, an denen die Schwerkraft ihre Gehässigkeit zeigte. Ich sagte – wie jeden Abend – „ein, Zelt, eine Nacht, eine Person“. Er weise mir erst einen Platz zu, dann solle ich aufbauen, dann alles andere. Ich wartete ganz umsonst in dieser stickigen Bude. Er wollte mich auf einer Rasenfläche neben der Einfahrt (und neben dem Biergarten) unterbringen. Ich wollte dahin, wo die anderen Zelte standen. Die Zeltwiese war gleichzeitig der Wendekreis für die Camper. Dort war ein Paar aus den Niederlanden, die ebenfalls radreisten. Aufbau, bezahlen, duschen, essen, schlafen.

Am nächsten Morgen Sonnengruß mit Blick auf Rhein und Hundsrück, Sachen packen, weiterfahren.

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