Ostseetour

In Greifswald verbrachte ich ein paar Tage bei meiner besten Freundin. Eigentlich wollte ich fleißig sein, meine SD-Karten und Sticks reinigen oder neu sortieren, wollte Briefe und Emails schreiben sowie meinen Reisebericht nach Lärz. Doch stattdessen habe ich nach den letzten zwei Wochen pausenloser Pflegereise versucht, herauszufinden, wie viele Youtube-Videos ich noch nicht kenne. Meine Arbeitsmoral ließ sehr zu wünschen übrig.

Immerhin habe ich es geschafft, ein Foto von mir am Greifswalder Hafen zu machen, das ich nun für diesen Blog nutze (siehe rechts). Denn ich bekam immer wieder zurückgemeldet, „Katrin, die Leute wollen wissen, wer du bist“. Also nichts mit „das Internet bekommt mich nicht“ und am Ende ist es sogar sinnvoll, selbst zu steuern, was von mir bekannt wird und was nicht. Und weil ich mich nicht mit fremden Federn schmücken möchte, stelle ich hier auch gleich mal klar, dass nicht ich, sondern Jana, eine Freundin, das Foto gemacht hat. Ich stand die ganze Zeit nur blöde rum und wollte souverän aussehen. Zum Glück ist Jana auch Schauspielerin, gab mir ein paar Anweisungen und konnte somit noch was rausholen.

In den ersten zwei Wochen auf einer luftverlierenden Isomatte, fremden Betten und einem neuen Fahrrad, war mein Rücken entweder steinhart oder mir lief eine Maus durch den Nacken, wenn ich meine Arme hob. Dehnungsübungen halfen nicht, aber die Kunst des Massierens. In Greifswald fand ich sehr kurzfristig am Wochenende eine Masseurin, die mehrmals meinen knüppelfesten Rücken kommentierte und mit viel Hingabe und einem Dingens die Durchblutung dermaßen antrieb, dass ich noch Tage später aussah, als sei ich auf einem BDSM-Workshop gewesen. Auch ‘ne nette Erfahrung.

Mit ausgetauschter Isomatte und glücklicherweise wieder in Begleitung startete am 30.05. die Ostseetour. Von Greifswald nach Stralsund ist der Weg über zwanzig Kilometer mit kleinen Pflastersteinen gepflastert, worauf wir bereits durch andere Reiseberichte und Foren vorbereitet wurden. Wir haben auf der Karte nach alternativen Strecken gesucht, aber alle wären unsinnige Umwege gewesen. Wir haben es also gewagt und vielleicht waren die bösen Erwartungen groß genug, auf jeden Fall kam uns der Weg gar nicht so schlimm vor. Er hatte sogar etwas Idyllisches. Im Laufe dieser Ostseetour sollten noch schlimmere Wege kommen.

Mit dem Rad in Stralsund anzukommen, ist nicht die schlechteste Anreise. Rechts das Wasser und der Blick auf Rügen, links Gärten, kleine Häuschen und viel Grün. Dann Reifenflicken, Eis, Gorch Fork, Innenstadtkopfsteinpflaster und Himmelfahrtsgetöse. Dder Weg raus aus der Stadt ähnelte der Einfahrt.

In Klausdorf kamen wir in der Ferienwohnung bei Frau Faika unter. Das ehemalige Pionierferienlager ist mittlerweile abgerissen, so dass wir von unserem Balkon aus freie Sicht auf ein großes Feld mit angrenzender Baumreihe und einem dahinter liegenden, nicht sicht- aber spürbaren Bodden hatten, dem zur Ebbe weiträumig das Wasser verloren geht.

Am nächsten Morgen ging es weiter, bevor wir uns verkehrt herum, also gegen den Wind, der Ostsee entlang gekämpft haben, testete ich die Robustheit meines Fahrrads, meiner Ausrüstung und meiner eigenen Knochen. Irgendwie rückte ich meiner Freundin zu sehr auf die Pelle, unsere Räder berührten sich, ich verlor mit meinem vollgepacktem Rad das Gleichgewicht, wusste noch im Flug, dass ich mich vom Rad trennen musste, denn sonst wird es schmerzhaft, sprang vom ihm ab und landete im Graben. Einen Meter vom Rad entfernt. Die Klicksysteme von zwei Fahrradtaschen gingen kaputt und ich hatte etwas Schmerzen in meinem rechten Bein. Fahrrad und alles andere blieben ganz. Gut, wäre auch das geklärt. Auf einen weiteren Test kann ich verzichten. Uns kamen ausgerechnet in diesem Moment zwei andere Radreisende entgegen, die sich versicherten, ob alles ok ist und auch kurz abwarteten, ob wirklich alles ok ist, bis sie dann weiterfuhren. Ich hab auch die ganze Zeit überlegt, was ich aus meiner Notfalltasche brauchen könnte. Aber meine Haut war intakt, ich fror nicht und die Schmerzen hielten sich in Grenzen. So ein erste-Hilfe-Täschchen ist wohl das Einzige, das man immer wieder einsteckt, auch wenn man es auf all den Reisen nie brauchte.

Wir kämpften uns also gegen Wind, Wasser und Erschöpfung am Bodden gegen die empfohlene Reiserichtung voran. Pause in Barth mit norddeutschem Regenwetter. Erst am Abend klarte es auf und wir konnten unser Glück kaum fassen, als wir einen perfekten Stellplatz direkt am Wasser für uns gefunden haben. Von da an war auf einmal Sommer.

Unser nächster Tag führte uns durch das Ribnitzer Moor ans Meer, um endlich anzubaden. Es war der erste Juni, also allerhöchste Zeit.

Eben noch im Wald …

… dann plötzlich Strand.

Der Weg nach Rostock zog sich dann – so wie sich ab 10 km vor dem Ziel alle Wege ins Unendliche zu ziehen scheinen. Rostock – meine erste Studienstadt, in der ich drei Jahre lang lebte. Allerdings ist auch das schon wieder über zehn Jahre her und zum Glück gibt es am Dobi noch den Stadtbäcker, die andere Buchhandlung und die planbar – drei für mich nicht ganz unwichtige Institutionen damals.

Was ich vor zehn Jahren noch nicht kannte, war der Mexikaner in der Wismarschen Straße, in dem wir sehr gastfreundlich und locker empfangen wurden und in dem wir wieder auftankten.

Dann war die Reisezeit zu zweit auch schon wieder vorbei. Diesmal fiel mir das Weiterfahren allein nicht so schwer, wie beim ersten Mal, da ich ja nun wusste, was auf mich zukommt und dass das Alleinreisen ziemlich viel Spaß macht. Vor zehn Jahren bin ich von Rostock aus zu Fuß erst nach Bad Doberan, dann Kühlungsborn und an der Küste wieder zurück nach Rostock Diedrichshagen gelaufen. Damals wollte ich mich auf die Jena Horizontale vorbereiten, hatte aber nur kaputte Füße und eine Mittelohrentzündung davongetragen. Jedenfalls bin ich diesmal mit dem Rad auch nach Bad Doberan und Kühlungsborn, wo ich gleich noch mal ins Wasser sprang, einfach weil die Ostsee geil ist.

Immer weiter westwärts führte mich der Radweg plötzlich direkt ans Wasser und ich musste durch den Sand schieben. Das schwere Rad versank regelrecht im Sand. An einer Abbruchkante, die mir bis zur Schulter ging, kam mir oberhalb der Kante ein älteres Ehepaar auf e-Bikes entgegen und wollten wissen, ob der Weg da unten, also im Sand weiterginge. Das traf sich gut, denn ich hatte die gleiche Frage, nur in die andere Richtung. Sie standen also oben und ich unten und wir mussten nur die Plätze tauschen, dann konnten wir unsere jeweiligen Fahrten weiterfahren. Ich brauchte ewig, um all meine Taschen abzubauen, die ich aufgrund der beschädigten Klicksysteme mittlerweile zum Teil mit Spanngurten sicherte. In der Zwischenzeit hob ich dem Paar ihre superschweren Räder von der Bruchkante herunter, denn sie war nicht mehr ganz so kräftig und er hatte ein neues Knie und durfte sich überhaupt nicht belasten. Sie schoben ihre Räder dann hundert Meter bis zum festen Weg durch den Sand in die Richtung, aus der ich gekommen bin und ich schnürte wieder alles ran ans Rad.

Während meiner Schnürerei traf ich einen Pilgerer, der den Baltico von Stettin nach Kiel läuft. Wir beide hatten Rerik als Tagesziel und verabschiedeten uns nur lose, denn wir würden uns noch mal begegnen. Das ist das Tolle auf Reisen, so ganz allein ist man nie. Der Weg blieb teilweise abenteuerlich, weshalb ich immer mal wieder abstieg und ich pflückte noch einen Feldblumenstrauß für meine Gasteltern – jedenfalls war der Pilgerer auf den letzten fünf Kilometern so schnell oder ich so langsam, dass wir uns nun doch nicht mehr wiedertrafen.

In Rerik bereiteten mir Barbara und Reinhard ein sehr herzliches und schönes Bleiben. Wir unterhielten uns über das Reisen mit dem Rad, dass sie beide auch kennen und vor allem viel über unsere Familie und ich erfuhr viel Neues.

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