Meine letzte Tour mit dem Bulli ist über achtzehn Monate her. Dass ich mich jeden Sommer auf ein Abenteuer begab, wenn ich in dem Bus saß, war mir klar. Jedes Mal passierte etwas anderes, aber alles blieb im Rahmen und ich hatte hinterher eine witzige Geschichte zu erzählen. Ich mein, wer fährt schon mal ohne Schalthebel oder ohne Gaspedal weiter? Die Bremsen sind nie ausgefallen und dafür bin ich dem alten Bus sehr dankbar.
Letzes Jahr ging eine Kaskade von Reparaturen los. Zunächst war es nur das Kühlwasser. Der Motor lief innerhalb weniger Minuten so heiß, dass ein Weiterfahren nicht möglich war. Das war ein Tag vor unserem Pfingstausflug. Meine Werkstatt sagte mir, ich müsse nur Kühlwasser nachfüllen, dann sei alles bene. Gesagt, getan. Das Kühlwasser war allerdings bereits am nächsten Tag schon wieder verschwunden. Wir wollten den Bulli dann zurück zu seinem Parkplatz fahren (andere Seite der Stadt), aber es war unmöglich: mitten auf einem Marktplatz am Pfingstsonntagmorgen qualmte es aus allen Löchern. Eine fröhliche Herrenrunde unterbrach ihr Frühschoppen und half uns, den Wagen wenigstens in eine Seitenstraße und auf einen Parkplatz zu schieben. Der Wagen stand dort schräg, und es kam der pure Diesel aus dem Auspuff getropft. Mit dem Fahrzeug hab ich meinen persönlichen Fußabdruck sowieso schon für den Rest meines Lebens ins Unendliche gesteigert und so habe ich eher für mein Gewissens als den Naturschutz (mitten inner Stadt) eine Dose unter den tropfenden Auspuff gestellt und den Diesel wieder eingesammelt.
Zwei Tage später dann abschleppen lassen und in der Werkstatt nigelnagelneuen Zylinderkopf eingebaut, denn der alte hatte einen ordentlichen Riss.
Danach waren die Abgase lecker blau. An den Ampeln in der Stadt drehten sich die Menschen zu uns um und zeigten mit den Fingern auf uns. So viele Bäume werde ich in meinem ganzen Leben nicht mehr pflanzen können, um meine CO2-Bilanz (oder was auch immer) zu korrigieren. Vor der Reparatur floss das Wasser durch den Riss im Zylinderkopf und durch den Motor, um als Dampf hinten rausgeschleudert zu werden (quasi wie ein Wasserstoffauto?). Nachdem dieser Fehler behoben war und das Wasser vom Motorinnenraum ferngehalten wurde, hatte nun der Diesel freies Spiel und wurde nicht mehr vom Wasser verdrängt. Der Motor mit einem defekten Zylinder verbrannte nicht den gesamten Diesel, sondern spuckte ihn hinten wieder aus. Kein Geld, keine Zeit und eine große Lust auf Dänemark veranlassten uns dazu trotzdem weiter zu fahren. Laut dem netten Menschen in der Werkstatt (übrigens sind das immer andere Werkstätten) sei das auch gar kein Problem, wenn wir damit leben könnten, dass es hinten blau rauskommt.
Wir haben es bis kurz nach Magdeburg geschafft, dann fiel – gefühlt – das ganze Ding auseinander. Keine Leistung mehr, sondern nur noch 40km/h und Tendenz sinkend, schmorriger Geruch und Qualm aus den Ohren. Ich lag mit Feuerlöscher in Habachtstellung, um auf alles gefasst zu sein, aber es passierte nichts. Es hörte von allein auf. Nachdem alles abgekühlt war und wir die Musikschleife vom Autoklub und der Versicherung auswendig kannten, öffnete ich den Motor: natürlich erkannte ich nichts, außer, dass alles aussah wie immer. Das Auto wurde von einem örtlichen Abschleppdienst direkt auf einen Schrottplatz gefahren, sehr zur Freude meines Vaters, der uns abholte. Natürlich war das nur ein zwischenzeitlicher Stellplatz. Aber irgendwie auch schon ein Vorgeschmack.
Dänemark bereisten wir dann mit einem PKW. Auch nett.
Ein befreundeter Hobbyschrauber aus Magdeburg nahm sich der alten Karre an. Es gab eine lange Liste, was im kommenden Jahr gemacht werden müsste, damit ich auf meine Pflegereise starten könnte. Zunächst machte er den Bus fahrbar, damit ich ihn erstmal wieder nach Hause fahren konnte.
Im kommenden, diesem Frühjahr war der Schrauber leider nicht mehr erreichbar und eine nette neue Werkstatt sah ihrem Auftrag freudig entgegen. Leider unbezahlbar für mich.
Das war der Moment – vor wenigen Tagen, in dem ich mir eingestehen musste, dass die Zeit mit dem Bulli für mich vorbei war. Wir hatten wundervolle Urlaube und Ausflüge, Abenteuer und durch die Unberechenbarkeit auch immer nette Menschen kennengelernt. Der Bus konnte besser socialisen als ich!
Und trotdem heißt es jetzt: good bye.
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