Teil 1: Wie alles Begann und das Haubenproblem

Naja, also so ganz einfach bin ich nicht zur Pflege gekommen. Wie das als junger Mensch nun mal so ist, wenn man anfängt darüber nachzudenken, wo die Reise einmal hingehen wird, habe auch ich nach meinen Neigungen und Interessen geschaut, ohne konkrete Vorstellungen zu haben. Ich hatte so Berufsbilder im Kopf, die ich eventuell machen könnte und zum Erstaunen aller, war das bei mir nicht die Pflege. Sondern es war etwas ganz anderes, nämlich der Wunsch, Forstwirtschaft zu studieren. Das hatte sich als Gedanke so festgesetzt, weil ich – auch heute noch – ein ausgesprochener Naturliebhaber bin. Für meine Eltern war es notwendig, meine Vorstellung mal mit der Agentur für Arbeit abzugleichen. Leider war mein Wunsch, in die Forstwirtschaft zu gehen, nicht kompatibel mit dem, was man mir und meinen Eltern beigebracht hatte. Nämlich, dass das eine brotlose Kunst sei. Ich war darauf so sehr fokussiert, dass es mich frustrierte, dass der erste Berufswunsch, den ich hatte, nicht funktionierte.

In meiner Jugend war ich im sozialen Bereich bei einer Hilfsorganisation tätig und schon mit vierzehn Jahren im Katastrophenschutz, z B. bei Sporteinsätzen in der ersten Hilfe engagiert. Die Erfahrung in der Gruppe, also die gute Atmosphäre war sehr prägend. Wir hatten auch Einsätze bei uns am kleinen Krankenhaus mit circa einhundert Betten in Rheda-Wiedenbrück und da habe ich meine ersten freiwilligen, ehrenamtlichen Dienste am Wochenende gemacht. Das hat mir gefallen, weil das Team nett war und auch da war es mir schon wichtig, das in einem Rahmen zu machen, wo ich in eine Gemeinschaft aufgenommen wurde. Und der Austausch mit Patientinnen und Patienten und anderen Berufsgruppen hat mir sehr zugesprochen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich dann meinen Eltern sehr kurzfristig erklärte, dass ich Krankenpfleger werden will. Und auch da bin ich nicht auf vorbehaltlose Zustimmung gestoßen, sondern war da schon mit Klischees konfrontiert, die es auch in meinem Elternhaus, vor allem gegenüber einem Mann in der Pflege gab. Was willst du in der Pflege? Da gab es schon drastische Beschreibungen, was man in der Pflege so macht. Und mein Vater sagte, ich als Mann würde damit niemals eine Familie ernähren können. In der Situation fühlte ich mich dann eher angestachelt, in so einer Art spätpubertierenden Reaktion, dass ich dachte, nee, jetzt erst recht.

Ich hab mich dann 1973 sehr kurzfristig im Juni um einen Ausbildungsplatz im September beworben. Mir war klar, dass ich an ein großes Krankenhaus mit Notfallmedizin, Maximalversorgungsanspruch und moderner Ausstattung wollte. Ich habe mir dann die Broschüren unterschiedlicher Schulen angesehen und machte letzten Endes die Ausbildung an einem von Ordensschwestern geführten Haus, die sich dazu entschlossen hatten, das erste Mal einen Lehrgang mit Männern zu besetzten. Das war dann für beide Seiten Neuland und daran musste ich mich auch erst mal gewöhnen. Zum ersten Mal sah ich mich in einer dreißigköpfigen Klasse siebenundzwanzig Frauen gegenüber. Diese Frauen haben mich sehr geprägt, was das Miteinander anging. Damals war das so, dass die Volljährigkeit erst mit einundzwanzig eintrat und es gab eine Wohnheimpflicht. Das größte Problem war in dieser katholischen Ordensgemeinschaft, dass diese drei Männer mit allen anderen Schülerinnen in einem Wohnheim untergebracht werden mussten. Das löste für den einen oder anderen komplexe Herausforderungen aus. Es wurden Regularien gefunden, die heute gar nicht mehr denkbar wären und auf die ich auch gar nicht weiter eingehen möchte.

Ja, der Beruf hat mich herausgefordert und die Schule war eine gute und fordernde Schule, die mich auch in der Gemeinschaft der Kolleginnen und Kollegen sehr geprägt hat. Und bereits zu diesem Zeitpunkt fielen mir die ersten Missstände auf. Wieso sind Pflegende reine Befehlsempfänger? Sowohl von der Krankenhausleitung, wie auch von anderen Berufsgruppen. Ich wurde zum Kurssprecher gewählt und wie es dazu kam, weiß ich nicht mehr. Ich meine, da muss man heute auch mal fragen – siebenundzwanzig weibliche Kolleginnen und einer der drei Männer wird als Kurssprecher gewählt. Aber irgendwie hat es ja funktioniert. Die Schülerinnen, wie auch alle anderen weiblichen Kolleginnen mussten damals eine Haube tragen. Das war Pflicht. Und viele der Kolleginnen fühlten sich in ihrer Gesundheit beeinträchtigt durch die Haarnadeln, weil sie Spannungen auf der Kopfhaut verursachten. Dazu waren diese Hauben unpraktisch, lösten sich zum Teil während der Arbeit und fielen herunter. Es gab eine große Anzahl an Problemen, die damit einhergingen. Und sie sagten dann zu mir, du bist Kurssprecher, du musst was tun. Das war nicht so einfach, dass ausgerechnet ein Schüler, der noch nicht mal ausgebildet ist, sich darum kümmern sollte, dass die Haube abgeschafft wird. Da war dann ein wenig Geschick notwendig, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Das ist jetzt zwar schon lange her und ich kann das nur noch aus meiner Erinnerung heraus sagen, aber das Wichtigste waren gute Argumente, wie das gesundheitliche Problem, die Arbeitsbehinderung und die Tatsache, dass die Hauben damals im OP oder auf der Intensivstation schon gar keine Rolle mehr spielten. Mein Anstoßen des Problems setze etwas in Gang, was von vielen Seiten dann auch unterstützt wurde. Wichtig war mir damals auch schon, nicht locker zu lassen. Denn wenn man es alle vierzehn Tage wieder auf den Tisch packt, wollen die anderen das Problem loswerden. Steter Tropfen hüllt den Stein.

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