Homo analogicus

… so hieß gestern Morgen der Titel der Lebenszeit im Deutschlandfunk. Als Homo analogicus (ich kürze mal mit H.a. ab) wurde eine Person bezeichnet, die nicht digital unterwegs ist. Also ein Mensch mit Stadtkarte, statt Smartphone in einer fremden Stadt. Ein H.a. scrollt in der S-Bahn auch nicht durch die timeline (weiß nicht einmal, was das ist) irgendwelcher sozialen Netzwerke. Das gekochte Abendessen wird nicht fotografiert und mit fremden Menschen geteilt, über 100 Freund*innen gibt es nicht und Follower sind eher etwas, was mit Argwohn und Skepsis betrachtet wird.

Ich bin so ein Homo analogicus. Das heißt nicht, dass ich Faxe schreibe, aber ich schreibe SMS und kaum Telegram-Nachrichten (Whats app schon mal gar nicht). W-Lan einschalten ist sowas wie das Emailfach öffnen: Es gibt ein Anfang (Einschalten) und ein Ende (Ausschalten) dieser Aktion. Dazwischen lese ich alle Telegramnachrichten, stelle fest, dass ich zu spät bin und in der Gruppe schon alles geklärt wurde (ein tolles Gefühl). Danach bin ich wieder offline. Das Wort offline klingt negativ, irgendwie defizitär. Daher würde ich auch nicht offline sagen, sondern leben.

Nächstes Thema: das Internet. Es ist für mich ein unglaublich schönes, bereicherndes und auch erleichterndes Tool. Nachschlagewerk. Unterhaltung. Kommunikation. Arbeit. Alles an einem Ort. Im Internet. Es ist ein von mir abzugrenzendes Ding, das ich vor Gebrauch öffne, so wie einen Klodeckel auch. Nach dem Gebrauch wird es wieder gechlossen.

Warum erzähle ich das? Weil meine pflegereise eine doppelte Reise werden wird. Ich begebe mich auf eine Reise ins Digitale. Ich habe einen Blog!! Allerdings nutze ich diesen Blog wie ein typischer H.a.: Ich schreibe etwas, lade es hoch, veröffentliche es, mache dann den PC aus. Den Versuch, Facebook und Twitter für meine Zwecke zu nutzen, würde ich noch nicht als gescheitert erklären, aber ich bin ganz nah dran. Beide Netzwerke überfordern mich. Bis heute weiß ich nicht, wie Facebook funktioniert. Twitter schon eher. Allerdings brauche ich für einen Tweet (wie viele Zeichen sind das noch mal? 140? Ach da fängts ja schon an. Keine Ahnung) – jedenfalls brauche ich für einen Tweet mindestens 30 Minuten. Ich jongliere so lange mit den Wörtern, um nicht falsch verstanden zu werden, um nicht populistisch oder plakativ daher zu kommen, versuche ausgewogen zu sein auch die zweite Seite zu beleuchten, zack über 500 Zeichen. Tja, dann mal alles wegkürzen, dass für die Aussage nicht absolut relevant ist, zack plakativ. Retweeten gefällt mir schon wesentlich besser (für alle H.a. da draußen: ich wiederhole mit einem einzigen Klick das, was andere vor mir gesagt haben). Dann ist da noch Instagram. Also Twitter mit Fotos. Fotos, da geht’s weiter. Als H.a. habe ich nur eine aus der Mode gekommenen DigiCam. Und meist ist der Akku leer 🙂 . Selbst wenn ich spontan ein Foto auf Instagram hochladen wollen würde, setzt mich das vor Herausforderungen. Für ein Bild brauche ich mehrere Geräte und mindestens eine Dreiviertelstunde. Eine Dreiviertelstunde. Das ist in Instagram- oder Twitter-Zeitrechnung “vor Jahren”. Ich wäre also immer zu spät.

Aber wer weiß. Diese Reise führt mich vielleicht in ein neues Zeitalter, auf jeden Fall aber durch eine Welt, die mir bisher nur vom Hörensagen bekannt war.

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