Abschied vom Bus

Irgendwann kommt dieser Tag. Das wusste ich immer.

Nun sitze ich – mal wieder – im Bus und gehe den Erinnerungen nach. Hier drin warte ich auf eine Kaufinteressentin, die sich einige Stunden zuvor bei mir meldete. Sie ist die erste ernsthafte interessierte Person. Zwar wurde die Anzeige auf einem nicht unbekanntem Online-Anzeigenmarkt innerhalb von 14 Tagen über 2.800 angeklickt und über 40 mal vorgemerkt, doch außer Spam und Sexangeboten kein wirkliches Angebot im Nachrichtenfach.

Während ich so warte gehen mir folgende Gedanken durch den Kopf.

Du warst mir Schutzraum. Wärme und Ruhe, während draußen die schnelle, laute Welt an uns vorbeizieht. Hier drin. Ungesehen. Raum für alles: Alltag. Freiheit. Urlaub. Essen. Lesen. Schlafen. Lieben.

Hier hatte ich Angst. Hier war ich angstfrei. Ich habe Dich verflucht im Harz, in Torgau, in Stendal. Ich habe Dich geliebt an allen anderen Orten. Wollte von der Nordseeküste aus immer weiterfahren. Wollte niemals aufhören. Nicht mehr zurückkehren. Keine Sehnsucht nach dem Zurück, nach einem festen Ort, der mir immer zu groß sein wird.

Unsere Geschwindigkeiten passten perfekt zusammen. Langsam und stetig. Immer weiter. Nur, dass Du jetzt nicht mehr immer weiter willst. Oder kannst. Nicht mit mir. Und ich habe keine Kraft mehr und keine Ahnung für dieses Motorhobby. Meine Leidenschaft ist das langsame Reisen. Nicht das Werkeln.

Du warst mein perfekter Begleiter für meine Reisen. Für unsere Reisen. In Dir spürte ich das Autofahren. Du hast beim Einparken in der Innenstadt in der Einbahnstraße und ohne Servolenkung alles von mir verlangt…

Da kommt sie. Die Käuferin ist da. Sie trägt Arbeitskleidung und wird sich im Verlauf des Gesprächs als KFZ-Mechanikerin herausstellen. Wir reden nur kurz, dann liegt sie unterm Auto und klopft am Blech herum. Mal hier mal da. Sie schwirrt um den Bus, wie eine Biene um einen bunten Blumenstrauß. Ich schaue ihr dabei zu. Eine gute Verkäuferin bin ich nicht, da ich sie auf sämtliche Fehler aufmerksam mache. Aber irgendwie hat sie es verdient, dass ich ehrlich zu ihr bin. Also erstens kann ich ihr absolut gar nichts vormachen, da sie vom Fach ist. Zweitens lässt sie es überhaupt nicht ‚raushängen, dass sie vom Fach ist und ist weder abgehoben noch arrogant, sondern erklärend und geduldig und …. nett. Ja, nett. Und das erlebte ich mit dem Bus in all den vielen Werkstätten, in denen ich in den letzten Jahren unterwegs war leider selten oder nie. Also „nett“ waren da schon manche, aber eben auch nur ach-Mädchen-das-musst-du-nicht-verstehen-nett. Und weil ich jetzt auf der Beziehungsebene unterwegs bin und die Sachebene aus den Augen verloren hab, will ich unbedingt, dass sie das Auto bekommt und würde mit dem Preis noch ‚runtergehen. Das sag ich ihr aber (noch) nicht.

Sie hat bereits einen T4 und träumt schon seit längerem von einem T3. Sie will ihn ausbauen, sie will ihm wieder Leben einhauchen.

Ein paar Tage später. Sie schreibt: „Meld Dich mal, wenn du wieder da bist. Dann können wir alles besprechen.“ Klingt so, als hätte ich tatsächlich eine Käuferin gefunden.

Wieder ein paar Tage später stehen wir noch mal gemeinsam vor dem Bus, diesmal zu dritt mit ihrer Partnerin. Sie kriegt mich doch noch ein bisschen im Preis heruntergehandelt, der Rest ist dann nur noch Formsache. Obwohl, eigentlich nicht. Alles läuft sehr unkompliziert mit einem Handschlag ab. Kein Vertrag, keine Anzahlungen, kein Nüscht. Ich hab da keine Bedenken, denn sie scheint den Bus wirklich zu wollen und wir beide haben keinen Bock auf Stress oder Verarschen. Erst andere machten mich darauf aufmerksam, dass unser Vorgehen eher untypisch ist. Ich gab ihr Schlüssel, Papiere und co und einen Tag später hatte ich das Geld drauf. Mein Vertrauen wurde nicht enttäuscht.

Wir bleiben in Kontakt und ich werde erfahren, wie es dem Bus in Zukunft ergehen wird.

Am Morgen vor meinem Termin bei der Zulassungsbehörde schraube ich die Nummernschilder ab und in dem Moment schnürrt sich mir die Kehle so fest zu bis eine klare Flüssigkeit aus meinen Augen quillt. Das wars dann jetzt. Noch einmal ans Blech geklopft, ein letzter Blick, ein letztes Danke.

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2 Kommentare bei „Abschied vom Bus“

  1. Das ist eine sehr schöne Liebeserklärung an den Bus. Ich freue mich schon darauf, eine (hymnische?) Danksagung an Rad und Zelt zu lesen, die dir sicherlich zu einem zweiten Zuhause werden.

    1. Oh ja, der Bus war wirklich ein zweites Zuhause. Und das Rad hüte ich bereits wie meinen Augapfel, da es mein Fahrzeug und mein Packesel ist. Ich schließe es sogar am sichersten Ort der Welt an: auf dem Fusion-Gelände (einen Monat vor der Fusion, ohne Gäste). Das ist wohl eher paranoid, als hütend….

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