The American Nurse

Seit ich ungefähr eine Ahnung davon habe, wohin die Reise mal gehen soll, bekomme ich das Bild eines Sammelbandes nicht mehr aus meinem Kopf. Gern möchte ich behaupten, dass es ganz allein meine Idee war, aber leider ist dem nicht so. Meine Idee war es “nur”, mit dem Bulli durch die Gegend zu fahren und mir ein “Bild von der Pflege” zu machen. Ich war inspiriert von Maxie Wanders “Guten Morgen, du Schöne“. Sie portraitiert darin Frauen und ihre Biografien in den 1970ger Jahren. Alle Frauen leben in Ostdeutschland und erzählen von ihrem Leben. Es sind sehr unterschiedliche Personen mit natürlich unterschiedlichen Biografien. Maxie Wander schrieb das Ganze aus der Ich-Erzählperspektive und übernahm dabei z.T. Dialekte, ohne dass es übertrieben oder lächerlich klingt. Ich weiß nicht, mit welchem Ziel sie damals losgezogen ist, aber ich bekomme beim Lesen einen Eindruck von den Frauen sowie Höhen und Tiefen ihrer Lebenssituationen. Und obwohl es unterschiedliche Menschen waren, so fanden sich Parallelen in ihrer Erzählweise, weshalb mir das Buch eine Vorstellung vom Leben als Frau in den 1970ger Jahren in der DDR gibt. Dass die Erzählungen darin wenig bis gar nicht kritisch gegenüber dem DDR-Regime sind und dass es mit Sicherheit auch ganz andere Erzählungen gibt, ist mir bewusst. Dieses Buch ist nur ein Baustein, um die Geschichte zu verstehen. Jedenfalls ließ mich der Gedanke daran, so etwas mit meiner Lebenswirklichkeit zu verbinden, nicht mehr los.

Dr. Andreas Weber, mein Dozent, empfahl mir daraufhin Maria S. Rerrichs “Die ganze Welt zu Hause – cosmobile Putzfrauen in privaten Haushalten“. Anders als “Guten Morgen, du Schöne” ist “Die ganze Welt zu Hause” eine wissenschaftliche Aufarbeitung eines Phänomens, das ein Schattendasein fristet.

Meine Kollegin und Vorgesetzte Annett Stephan wiederum visionierte über mein Vorhaben wie folgt: “Ich stelle mir einen schönen, großen Bildband vor. Mit großen Portraits von Pflegenden”.

Portraitfotos und Ich-Erzählungen. Das ist das, was ich sowieso von Anfang an wollte. Oder ist das nur in der Retrospektive so, in der ich glaube, dass alle Ideen allein von mir stammen?

Prof. Gabriele Meyer wiederum zeigte mir “The American Nurse” von Carolyn Jones und beim Durchblättern dachte ich “oh, jemand hat meine Idee umgesetzt”. Es ist ein toller Bildband mit ästhetischen Fotos und gleichzeitig erzählen Pflegende aus ihrer Perspektive über ihren Beruf. Interessant finde ich den Titel. In Deutschland – zurecht – undenkbar.

Ob es am Ende überhaupt ein Buch wird, steht ja noch in den Sternen. Und ob ich mich von “The American Nurse” oder eher von “Die ganze Welt zu Hause” inspirieren lasse, weiß ich auch noch nicht. Irgendwo dazwischen liegt meine Vorstellung eines passenden Zeitdokuments. Ein unkritisches “Hurra – wir pflegen” liegt mir genauso wenig, wie ein weiterer Beitrag in der Dauerschleife “Pflexit und Pflegenotstand”.

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