Warum ich pflegereise

Es ist der 18. Januar 2019 und ich sitze in meinem alten, abgemeldeten VW-Bus. Es ist bitterkalt, obwohl heute ausnahmsweise mal die Sonne scheint und es einer dieser wunderschönen Januartag ist, wie ich sie liebe: eisig kalt mit Sonnenschein. Ich sehe mich im Bus um und entdecke in jeder Ecke eine andere Erinnerung. Das Schreiben fällt mir nicht nur wegen der Kälte schwer, sondern auch, weil ich in diesem Moment berauscht bin vom Reisegefühl.

Meine Pflegereise vereint auf wundervolle Art und Weise das Reisen und die Pflege. Egal ob mit Rucksack und Zelt auf dem Rücken oder im alten VW-Postbus, ich bin gern unterwegs und lasse mich vom Moment treiben. Morgens weiß ich nicht, wo ich abends sein werde. Die Dauer meiner Reisen oder die Orte spielen dabei weniger eine Rolle als viel mehr das Weiterziehen an sich.

Gleichzeitig bin ich vom Beruf der Pflege fasziniert. In meinem Leben habe ich so viel über die Pflege gelernt und bin mit vielen verschiedenen Urteilen konfrontiert gewesen. In meiner Ausbildung war ich in der Jugend- und Auszubildendenvertretung und stand plötzlich allein auf weiter Flur, als ich verkündetet, dass ich diesen neuen Studiengang “Pflegewissenschaft” ins Auge gefasst habe. “Pflege ist ein Handwerk und gehört nicht an die Unis”, wurde mir vor allem von drei sehr selbstbewussten und dominanten Charakteren zu verstehen gegeben, genauso wie all die Vorurteile, die ich seit dem höre, dass akademisch ausgebildete Pflegende in den Kliniken und am Bett fehlen würden. Von den drei Azubis, mit denen ich mich damals stritt, arbeitet einer heute ausschließlich im Personalrat und die anderen zwei fingen bald nach der Pflegeausbildung ihr Medizinstudium an. Wenn ich es richtig sehe, fehlen wir alle vier heute in der Pflege am Bett. Dabei will ich unsere Biografien gar nicht werten. Gut ausgebildete Mediziner_innen und kampfeslustige Personalvertretungen sind eben genauso wichtig, wie eine Pflegewissenschaftlerin.

Ich gehe wieder in meinen Arbeitsraum und mache mir Tee. Der Winter ist einfach nichts für den Bus. Oder der Bus nichts für den Winter?

Vor zwei Jahren verließ ich die ambulante und vor vier Jahren die akut-stationäre Pflege, um mich auf mein Studium konzentrieren zu können. Dieses Studium weckte in mir die Leidenschaft zum Beobachten und Forschen und es löste in mir die Sehnsucht aus, wieder den Pflegealltag zu spüren.

Diesen Sommer will ich nutzen, um meine Freude am Reisen, meine neu gewonnene Leidenschaft des Beobachtens und die Lust am Pflegen zu vereinen. Ich werde pflegereisen. Von Ort zu Ort und von Einrichtung zu Einrichtung. Morgens werde ich nicht wissen, in welcher Einrichtung ich am nächsten Tag arbeiten werde.

Ausschlaggebend für meine Pflegereise sind die derzeitigen (berufs-)politischen Veränderungen sowie Schlagzeilen über den Pflegenotstand und den Arbeitsbedingungen, unter denen Pflegende immer häufiger leiden. Gleichzeitig beobachte ich Pflegende, die ihren Beruf lieben und die jeden Morgen aufstehen und ihrer Arbeit gern nachgehen. Nach dem Motto: Ich liebe meinen Beruf, aber mein Job macht mich fertig.

Was genau lieben wir an unserem Beruf?

Und was macht uns fertig?

Gibt es überhaupt ein wir in der Pflege?

Das alles interessiert mich und ich ziehe los, um mir ein Bild von der Pflege zu machen.

Meine Eindrücke, Gefühle und Gegebenheiten des alltagslosen Alltags werde ich in diesem kleinen Pflege-Reise-Blog festhalten.

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6 Kommentare bei „Warum ich pflegereise“

  1. Petra M. Weiss sagt: Antworten

    Das ist ein tolles Anliegen und ein ambitioniertes Projekt, das Sie hier planen. Ich wünsche Ihnen viele spannende Begegnungen und alles Gute für die Reisezeit!

    1. Guten Morgen Petra,
      vielen Dank für die Wünsche.

  2. Wirklich spannende interessante Idee!!! Ich freue mich darauf dabei zu sein und bin gespannt auf Berichte und Eindrücke. Ich wünsche viel Spaß

    1. Hallo Anka,
      vielen Dank. Schön von dir zu lesen. Ja, ich werde berichten und Euch auf den Laufenden halten 🙂

  3. Oh, sehr schön geschrieben. das macht wirklich Lust auf mehr und ich sehe dich vor mir, im Bus. Und es ist schön zu wissen, dass ich in der priviligierten Lage bin, zu wissen, wie das Bild aussieht 😉

    1. Hi,
      ja, aber im Winter sieht das dann anders aus. Bibbernd und dick eingepackt. Hoffe, dass wird dann im Sommer anders.

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